Neuanfang in Schweden - Meine Auswanderung Teil 3

(Meine Auswanderung: Teil 3 | Teil 1 & Teil 2)

Ankunft in Trelleborg

Mein Handywecker ertönte ungefähr zeitgleich mit der Lautsprecherdurchsage an Bord der Stena Line. Wir bekamen die Info, dass wir in ca. 30 Minuten in Trelleborg anlegen würden und sich alle Autofahrer aufs Autodeck begeben sollten. Ich bin wahrscheinlich noch nie so schnell aus einem Bett gesprungen wie in diesem Augenblick – obwohl das Springen natürlich nicht wörtlich gemeint ist: Die Schlafkojen waren ziemlich klein und ließen keinen Platz für Freudensprünge.

Um 13:30 Uhr rollte ich die selbe Stahlrampe hinunter, die ich einige Stunden zuvor hinaufgefahren war. Am Ende der Rampe sah ich Schweden, zumindest ein kleines Stückchen davon. Obwohl ich in den beiden Nächten zuvor kaum bis gar nicht geschlafen hatte, war ich hellwach – vermutlich war ich high vom ganzen Adrenalin in meinem Körper. Man wandert ja schließlich nicht jeden Tag aus.

Ich reihte mich in der PKW-Spur für zollfreie Waren ein und wurde natürlich von der schwedischen Polizei herausgewunken. Wie schon am Fährterminal in Rostock hoffte ich inständig, dass sie nicht anfangen würden, mein ganzes Auto, das ja bis obenhin proppevoll war, auseinanderzunehmen.

Der Polizist fragte mich, was ich mit all den Sachen vorhätte, und ich antwortete auf meinem besten Schwedisch: „Jag ska flytta till Sverige idag!“ (= “Ich ziehe heute nach Schweden!”). Auf seinem Gesicht machte sich ein Lächeln breit, und er sagte: „Välkommen till Sverige!“ (= “Willkommen in Schweden!”), während er mir mit einer Armbewegung zu verstehen gab, dass ich weiterfahren durfte.

Das war die letzte Hürde für diesen Tag, dachte ich mir. Jetzt konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen, und ich musste nur noch die sechs Stunden Autofahrt nach Stockholm meistern.



Gekommen um zu bleiben

Gegen 8 Uhr abends hatte ich es endlich geschafft. Mit brennenden Augen und heftigen Kopfschmerzen suchte ich einen Parkplatz in der Infanterigatan in Solna. Die Gegend kannte ich gut, schließlich hatte ich David, meinen schwedischen Freund, im vergangenen Jahr viele Male hier besucht. Dieses Mal hatte ich allerdings kein Rückflugticket. Ich war gekommen, um zu bleiben.

Nachdem ich einen Parkplatz gefunden und ein paar der wichtigsten Sachen in meinen Rucksack gepackt hatte, sah ich David auf mich zukommen. Ich erinnere mich noch gut an diesen Moment – ich war todmüde und gleichzeitig überglücklich. Ich fiel ihm um den Hals und konnte mich das erste Mal seit vielen Wochen endlich fallen lassen. All der Stress, die Sorgen und die Anspannung perlten an mir ab, und wir gingen Hand in Hand zum Eingang der Infanterigatan 4, nahmen den Fahrstuhl in den 8. Stock – in Davids – nein – in unsere Einzimmerwohnung.

David am Abend meiner Ankunft

Mein Welcome-Home-Banner

Alles lief nach Plan - Nur eben nicht nach meinem

Die erste Zeit in Stockholm war ganz anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Deshalb sage ich auch immer wieder: Es ist super, einen Plan zu haben, aber manchmal ist es noch wichtiger, von seinem Plan abzuweichen. In meiner Vorstellung hätte ich die ersten 4–6 Wochen in meiner neuen Heimat dazu genutzt, um neue Leute kennenzulernen, Cafés und Restaurants zu besuchen und einfach die Stadt zu genießen und so richtig kennenzulernen. Corona hat mir da natürlich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch wenn die Einschränkungen in Schweden wesentlich geringer waren als in anderen Ländern, waren die Menschen doch sehr vorsichtig, und es war ganz sicher nicht die Zeit, um auszugehen und das Treiben der Stadt zu genießen.

So verbrachten David und ich also die ersten Wochen in unserer kleinen Wohnung. Rückblickend bin ich froh, dass wir damals frisch verliebt waren – ich glaube, heute würde das Ganze nicht mehr so harmonisch ablaufen, wenn wir 24/7 in einem Zimmer zusammenleben würden …

In diesem Zimmer haben wir ein Jahr lang zu zweit gewohnt - und gearbeitet

David arbeitete die meiste Zeit am Rechner, und ich machte das, was wir alle während der Pandemie gemacht haben: Ich backte exzessiv und fing zahlreiche kreative Hobbies an. Sticken und Aquarellmalerei waren bei mir hoch im Kurs.

Meine Interpretation eines ernstzunehmenden Künstlers

Mein Gamla Stan Kunstwerk


Job, Personnummer, Bankkonto und Co

Natürlich habe ich während dieser Zeit auch einige Bewerbungen geschrieben – lange konnte ich schließlich nicht von Luft und Liebe (und meinen eher kläglichen Ersparnissen) leben.

Außerdem brauchte ich einen Job, um die Personnummer zu bekommen. Falls ihr es nicht wisst: Die Personnummer ist so ziemlich der heilige Gral für alle Schweden-Auswanderer. Es ist eine Identifikationsnummer, die man bekommt, sobald man im System registriert ist. Um registriert zu werden, muss man verschiedene Kriterien erfüllen. Eines meiner Kriterien war ein Arbeitsvertrag.

Erst wenn man in Schweden registriert ist und die Personnummer erhalten hat, kann man wirklich am Leben hier teilnehmen. Ich übertreibe nicht! Ohne Personnummer keine Krankenversicherung. Ohne Personnummer keine Sozialversicherung. Ohne Personnummer kein Bankkonto. Ohne Bankkonto keine BankID, die man hier für so ziemlich alles braucht, um sich digital zu identifizieren. Ohne BankID dementsprechend kein Handyvertrag, keine Gym-Mitgliedschaft usw. You get the idea: Die Personnummer ist das A und O.

Vor meiner Auswanderung hatte ich bei meiner Recherche zu diesem Thema einige Horrorgeschichten gelesen. Manche Leute mussten fast ein Jahr auf ihre Registrierung warten. Ich ging deshalb natürlich vom Schlimmsten aus, war dann aber positiv überrascht, dass ich meine Personnummer nur wenige Wochen nach Einreichung meines Arbeitsvertrages zugeschickt bekam. Das lag wahrscheinlich daran, dass im März 2020 nicht gerade Hochsaison für neue Mitbürger war. Somit konnte ich dann alles andere Organisatorische, wie zum Beispiel die Beantragung meines schwedischen Ausweises und meines Bankkontos, in die Wege leiten.

Am 20.Mai 2020 bekam ich meine Personnummer

Und wenig später kam auch mein Ausweis

Jetzt fragt ihr euch bestimmt, was für einen Job ich denn bekommen hatte. Sagen wir mal so: Er war wirklich nicht der Rede wert. Es war ein Job im Kundenservice und Marketing, und er war gut genug, um einen Arbeitsvertrag vorweisen zu können, um meine Personnummer zu bekommen, und dann auch recht bald wieder von dannen zu ziehen. Es war kein gutes Arbeitsklima – gelinde gesagt. Ich arbeitete daraufhin noch ein paar Monate im Kundenservice bei einer weiteren Firma, bis mein Antrag für meine Selbstständigkeit in Schweden genehmigt worden war – ich hatte mich nämlich bereits während meiner ersten Anstellung darum bemüht, mich in Schweden selbstständig machen zu können.

Ich hatte, unter Anderem, im kreativen Bereich in Deutschland als Freelancerin gearbeitet, und dasselbe wollte ich auch in Schweden tun. Kurz nachdem ich dann meine Enskild Firma (quasi eine GbR) gegründet hatte, hatte ich einen Langzeitkunden gefunden, für den ich eine Vielzahl an Videoproduktionen erstellte. Für diesen Kunden arbeitete ich dann die nächsten 1,5 Jahre.



Umzug in den Stockholmer Schärengarten

Unser Mietshaus in Åkersberga

Das erste Jahr in Schweden ging wahnsinnig schnell um. Ich habe viel gearbeitet, viele organisatorische Sachen geklärt und einiges gelernt. An den Wochenenden hatte ich oft Mini-Trips für David und mich geplant – schließlich wollte ich ja, trotz Corona, zumindest ein bisschen was von Schweden sehen. Auf meinem YouTube-Kanal habe ich übrigens ein paar dieser Trips dokumentiert, falls ihr neugierig seid.

Weil David und ich Ende 2020 beide freiberuflich und recht ortsunabhängig arbeiten konnten, entschieden wir uns Anfang 2021 dazu, in einen von Stockholms Vororten am Meer zu ziehen.

Im vierten Teil meiner Auswanderungsgeschichte erzähle ich euch, wie es dazu kam, dass wir nach Åkersberga gezogen sind und wie es für mich in Schweden weiterging.

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